- Das alte Rathaus von Copitz wurde 1906 gebaut - mit Turm und Glocke
- Frieder Hering (li. hinten), Apothekerin Claudia Meerz und Wolfgang Queißer im alten Uhrenturm. Queißer zieht einmal wöchentlich das Uhrwerk per Hand auf
- Apothekerin Claudia Meerz sammelt Unterschriften gegen das Abschalten der Glocke in ihrem Gebäude
Völlig verbimmelt: Pirnaer Glocke fürs Amt nach 119 Jahren zu laut!
Bei dieser Geschichte schüttelt wohl fast jeder den Kopf! Seit 119 Jahren läutet die Glocke im alten Rathaus von Pirna-Copitz halb- und stündlich, tönt die Zeit und auch ein gewisses Heimatgefühl.
Doch seit Ende August ist sie nun verstummt - aus Angst vor Bußgeldern. Ein neuer Nachbar zog in Hörweite der Glocke und beschwerte sich beim Stadtteilmanagement und seinem Wohnungsvermieter über den vermeintlichen Lärm. Die leiteten die Beschwerde an die Denkmalschutzbehörde und die Immissionsschutzbehörde des Landratsamtes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge weiter. Und letztere verfügte tatsächlich: „Die Glocke muss zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens aus bleiben“, erklärt Claudia Meerz, Apothekerin im Rathaus-Gebäude und so etwas sie die „Hüterin der Glocke“.
Turmuhr läuft und läuft
Ihre Familie sanierte das denkmalgeschützte Gebäude 2004 - seitdem läuft die Uhr und die Glocke wieder tadellos. Anwohner Wolfgang Queißer steigt einmal pro Woche in den Turm und zieht das alte 119 Jahre alte Uhrwerk von Hand auf.
„Das Uhrwerk ist alt und kann nicht einfach ein- und ausgeschaltet werden. Es gibt keine Möglichkeit, einen Zeitschaltmechanismus einzubauen“, so Meerz weiter. Auch eine „Dämmung“ der denkmalgeschützten Glocke, so dass sie leiser anschlägt, sei nicht möglich. Heißt also: Wenn die Glocke nachts nicht läuten darf, muss sie für immer ganz ausbleiben.
Doch so schnell gibt die Apothekerin nicht auf. Noch bis Ende September sammelt sie in ihrem Geschäft Unterschriften für den Erhalt der Glocke. Diese bekommen dann das Landratsamt, „um die Entscheidung vielleicht doch nochmal zu überdenken“, hofft Meerz.
Messung ergab: Glocke zu laut
Unterdessen erklärte die Pressestelle des Landratsamtes, eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen: „Der Betreiber wurde im Rahmen einer Anhörung aufgefordert, lärmmindernde Maßnahmen zu treffen und diese sowie den Zeitraum der Umsetzung dem Landratsamt mitzuteilen.“ Bei dem Betrieb der Glocke handelt es sich um den Betrieb einer sogenannten nicht genehmigungsbedürftigen Anlage. Dort seien nächtliche kurzzeitige Geräuschspitzen bis zu 65 dB(A) zulässig. „In einer orientierenden Messung konnte eine hohe Überschreitung um 19 dB(A) zu Nachtzeiten festgestellt werden. Aufgrund der Höhe der Überschreitung hält das Landratsamt lärmmindernde Maßnahmen in der Nachtzeit für erforderlich“, so das Amt weiter.
Auf die Frage unseres Reporters, warum dann beispielsweise die viel lautere Glocke der Pirnaer Marienkirche weiter in Betrieb sei, hieß es: Es würde bei Beschwerden immer nur anlassbezogen geprüft.