- So könnte die historisierende Brücke aussehen: Sandsteinpfeiler wie einst - das vorhandene Fundament wird genutzt - dazu eine schmale Brücke, die sich in die Altstadtsilhouette einfügt
- Die Spannweite zwischen den Pfeilern ist breit genug, um die Vorgaben des Bundeswasserstraßenamtes zu erfüllen
- So wie diese Doppelstockbrücke in Arnheim mit abgehängtem Radweg könnte die neue Carolabrücke auch aussehen
Alles auf Anfang? Diskussion um neue (alte) Brücke
Die Erinnerung an den Einsturz der Carolabrücke vor einem Jahr - sie hallte am Donnerstagabend im Rathaus nur kurz nach. Es sollte über vier Stunden lang um die neue, zukünftige Carolabrücke gehen. Eingeladen hatte die Gesellschaft Historischer Neumarkt, die auch schon den Wiederaufbau des Dresdner Neumarktes fachlich begleitete. Dort setzte sich der historisierende Wiederaufbau der durch die Bombardierung Dresdens 1945 zerstörten Bürgerhäuser durch. Das moderne Gewandhaus aus Glas und Stahl, das ursprünglich mal gegenüber der Frauenkirche gebaut werden sollte, löste eine Sturm der Entrüstung unter den Dresdnern aus.
Ähnlich hitzig werden die Diskussionen um die neue Carolabrücke geführt. Wieder ein moderner, schlanker Stahlbetonbau? Oder eine Brücke, die der alten „Königin Carola-Brücke“ ähnelt, wie sie in halbes Jahrhundert (1895 - 1945) die Elbe überspannte?
Das muss die neue Brücke können
An gewissen Leitplanken müssen sich alle Architekten- und Ingenieurbüros orientieren, die bis zum Jahresende ihre Ideen für eine neue Brücke bei der Stadtverwaltung Dresden einreichen sollen:
- vier Spuren plus Fuß- und Radwege (so vom Stadtrat beschlossen)
- mindestens 120 Meter Spannweite zwischen den Pfeilern (für den Schiffsverkehr)
- keine Pylonen oder Aufbauten wie Seilzüge auf der Brücke (Altstadt-Silhouette muss sichtbar bleiben)
Für Prof. Wolfgang Lorch, Vorsitzender der Gestaltungskommission Dresden steht fest: „Die alte Brücke folgte dem Prinzip der autogerechten Stadt. Das war damals auch nicht falsch. Aber Dresden ist keine autogerechte Stadt, sondern eine Kulturstadt. Die alte Brücke war wie ein Balken im Gesicht der Stadt. Das darf sich nicht wiederholen, das ist eine Chance.“
Stadträte der Linken, SPD und Grünen forderten CDU, AfD und FDP daher auf, den Beschluss zur vierspurigen Brücke rückgängig zu machen bzw. um Varianten zu ergänzen, „die zwei bis vier Spuren enthalten, damit die Stadtgesellschaft wirklich einen Entscheidungsspielraum hat“, so Thomas Löser von den Grünen.
GHND-Chef Torsten Kulke ergänzte: „Viele wissen, dass wir schon am Neumarkt aktiv waren und die Altstadt ein hohes zu schützendes Gut für uns ist. Leider hat sich die alte Brücke nicht ins Stadtbild eingefügt.“ Deshalb hatte die „Initiative Carolabrücke“ prüfen lassen, inwiefern eine historisierende Variante im Rahmen des Planungswettbewerbs realisierbar wäre. Dabei wurde das alte Fundament der Brücke, das jetzt noch im Flussbett zu sehen ist, als nues „Standbein“ genutzt - nur der zweite Pfeiler im Wasser entfällt, damit die Schifffahrtsrinne breit genug ist.
Der Dresdner Architekt Philipp Hänicke schaute sich diese Brückenplanung mit Hinsicht auf das Rechtsgutachten der Kanzlei Redeker, Sellner und Dahs an. Die Anwälte hatten für die Stadt Dresden die rechtlichen Interpretationsspielräume für einen sogenannten „Ersatzneubau“ ohne (langwieriges) Planfestellungsverfahren untersucht. Hänicke kommt zu dem Schluss, dass eine historisierende Brücke alle Vorgaben erfüllen könnte und somit keine Planfeststellungspflicht besteht. Das Risiko von Klagen sei demnach als niedrig einzuschätzen.
Wegen hoher Kosten Autospuren streichen?
Daran - und auch am Brücken-Budget von 140 Mio. Euro - hat Torsten Kulke Zweifel, da die neue Brücke durch die gewählte Vierspurigkeit - plus neuer Radwege - viel größer wird als die bisherige. Baubürgermeister Stephan Kühn hatte gegenüber unserem Sender betont, dass die Finanzierung der neuen Brücke - trotz Doppel-Haushaltsdefizit von über 200 Mio. Euro - gesichert sei. 40 Mio. Euro kämen über Fördermittel des Bundes für den Brückenteil, auf dem die Straßenbahn fahren wird. „Den eigentlichen Straßenteil der Brücke werden wir aber selbst finanzieren. das sind rund 100 Mio. Euro und die sind über den Brückenfond gedeckt“, so Kühn. Sollte sie jedoch teurer werden, müsse aus laufenden Haushaltsmitteln finanziert werden. „Und das heißt, andere Projekte müssen dafür zurückstehen“, so Kühn.
Kulke rechnet eher damit, dass die neue Carolabrücke am Ende über 200 Mio. Euro kosten wird und fragt: „Wollen wir uns dafür so hoch verschulden.“ Stattdessen schlägt Kulke eine reine, förderfähige ÖPNV-, Rad- und Fußgängerbrücke vor, die auch von Rettungskräften genutzt werden könnte. Die Autos sollten übergangsweise wieder über die Augustusbrücke geführt werden - bis eine „dritte Marienbrücke“ gebaut ist. „Die könnte - wenn wir schnell sind - mit einem Planfeststellungsverfahren in zehn bis fünfzehn Jahren stehen“, so Kulke.
Vier Varianten - eine historisch?
In jedem Falle solle auch die ÖPNV-Brücke ein historisierendes Antlitz haben - wenn es nach Kulke geht.
Bereits 26.000 Unterstützer fanden sich über eine Petition für die historisierende Auto-Brückenvariante mit Sandsteinpfeilern. Deshalb erwartet die Initiative, dass die Stadt „den Willen der Stadtgesellschaft in den Planungsprozess mit einbindet“. Sie fordert, dass mindestens einer der vier einzureichenden Entwürfe als historisch angelehnte Bogenbrücke realisiert wird, um den Dresdnern eine freie Entscheidung über das Aussehen der neuen Carolabrücke zu ermöglichen.
Die ersten konkreten Brücken-Planungen durch internationale Büros sollen im Mai 2026 vorliegen.